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Piz Bernina - Mein erster 4000er

  • Eva-Maria Fankhauser
  • 7. Sept. 2020
  • 7 Min. Lesezeit

Grandios, einzigartig, unvergesslich, atemberaubend, wunderschön, aber auch anstregend, aufreibend, gefährlich, fordernd und nichts für schwache Nerven - Es gäbe noch zig andere Wörter, um diese Tour zu beschreiben, aber keines davon wird dieser Erfahrung wirklich gerecht. Wie sagt man so schön: Das war der Moment meines Lebens!


Kurze Routenbeschreibung

Pontresina - Val Roseg - Tschierva Hütte (2.583m) - Fuorcla Prievlusa - Biancograt - Piz Bianco (3995m) - Piz Bernina (4049m) - Spallagrat - La Spedla (4020m) - Marco e Rosa Hütte (3.609m)

Von dort weiter: Bella Vista Terrasse - Spinas Grat - Piz Palü Überschreitung (Westgipfel: 3.898m; Mittelgipfel: 3.901m; Ostgipfel (3.882m) - durchs Gletscherspaltenlabyrinth bis zur Fuorcla d'Arlas - Bergstation Diavolezza-Seilbahn


Der Piz Bernina war schon ein lang gehegter Traum von mir. Als ich das erste Mal den Biancograt - oder auch "Stairway to Heaven" genannt - gesehen habe, war ich sofort schockverliebt. Diese weiße Traumlinie wollte ich irgendwann einmal hinaufsteigen. Und genau dieser Traum ist nun Wirklichkeit geworden. Ich kann noch immer nicht in Worte fassen, wie glücklich mich dieses Berg-Abenteuer gemacht hat. Und das will was heißen - immerhin verschlägt es mir sonst eigentlich nie die Sprache ;-)



Am Freitag Mittag startet das Abenteuer . Gemeinsam mit meinem Bruder Daniel (er hat mir diese spektakuläre Bergtour zum Geburtstag geschenkt) und seinem besten Freund Matthias sind wir nach Graubünden in der Schweiz gefahren. Ausgangspunkt ist Pontresina. Unterhalb des Bahnhofs gibt es einen Langzeitparkplatz mit Ticketautomaten (man kann mit Karte zahlen oder daneben einen Euro-Franken-Wechsler nutzen). Von dort geht es zufuß ins Val Roseg zur Tschierva Hütte - 12 Kilometer

und 800 Höhenmeter. Einen Teil davon könnte man auch mit einer Kutschfahrt bewältigen. Wir haben uns aber dagegen entschieden - quasi zum Aufwärmen für die große Tour am nächsten Tag.

Das Val Roseg ist landschaftlich wirklich ein Hingucker. Erst gegen Ende des Tales geht es linksseitig bergauf in Richtung Hütte. Man bewegt sich auf eine große Moräne zu, auf die man aber erst nach einigen Kurven am Grashang quert. Entlang der Moräne geht es bis zur Tschierva Hütte hinauf. Kurz vor der Ankunft kommt endlich der heiß begehrte Gipfel samt Biancograt ins Blickfeld. Die Vorfreude ist groß!




Nach einer kurzen Nacht und vielen Gesprächen mit anderen Wanderern heißt es: Jetzt oder nie. Die Bedingungen sind hart. Es hat zu Beginn der Woche tagelang geschneit. Und auch die letzten sonnigen Tage war niemand über den Biancograt auf den Gipfel gestiegen. Alles liegt unter einer Schnee- und Eisdecke. Zwei Bergsteiger wurden an diesem Tag mit dem Heli ausgeflogen - sie kamen nicht mehr weiter. Einige Wanderer auf der Hütte entscheiden sich am frühen Morgen nicht auf den Piz Bernina zu steigen. Andere brechen früh auf, um den sonnigen Tag zu nutzen. Wir gehören zu ihnen. Wir wollen es versuchen.

Mit einer riesengroßen Portion Respekt und einem Funken Sorge, ob das Abenteuer vielleicht ins Wasser fällt, machen wir uns wie einige weitere Seilschaften um kurz nach 4 Uhr auf den Weg. Der Mond scheint hell, die Stirnlampe wird kaum gebraucht und Katzenaugen auf den Felsen weisen uns den Weg. Es geht stetig bergauf, über einen kleinen Wasserfall und danach wieder ein gutes Stück bergab. Es geht über viel Geröll in eine Senke und dann wieder bergauf bis zum Gletschereinstieg. Den ersten Teil meistern wir noch ohne Steigeisen, doch als es steiler wird, rüsten wir um. Um auf die berühmte Scharte Fuorcla Prievlusa zu kommen kann man entweder rechtsseitig sehr steil über Firn aufsteigen oder linksseitig am Bergschrund den Fels mittels Steighilfen hinauf klettern. Oben angekommen lächelt uns die Sonne entgegen und eröffnet einen traumhaft schönen Ausblick auf den Morteratsch-Gletscher und die umliegenden Dreitausender. Da geht einem das Herz auf.


Und eigentlich sind wir nach drei Stunden Aufstieg schon etwas müde, aber der schwierige Teil liegt noch vor uns. Nach einer kurzen Pause geht's weiter über einen Felsaufschwung, der noch zwischen uns und dem Biancograt liegt. Der Schwierigkeitsgrad der Kletterpassage liegt hier meist zwischen II und III mit Haken zum Sichern. Wer hier Probleme hat - der sollte tatsächlich überlegen, ob er weitergeht. Denn die Kletterei zwischen Piz Bianco und Bernina ist nocheinmal herausfordernder.

Wir übersteigen nicht den gesamten Felsriegel, sondern umgehen den oberen Teil ostseitig. Dafür geht es dann am hinteren Ende sehr steil entlang des Felsens am Gletscher wieder auf den Kamm. Ein kurzer, aber knackiger Anstieg. Oben angelangt geht es auf die sogenannte "Haifischflosse" zu. Auch hier können wir den Fels umgehen und sparen uns die Kletterei.


Jetzt geht's los. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht betreten wir den Biancograt. Was für ein Gefühl! So viele Bilder, so viele Videos habe ich von diesem Gipfelanstieg gesehen, doch selbst hier zu stehen ist unbeschreiblich schön! Schritt für Schritt geht es nun bergauf. Der Ausblick auf die umliegende Bergwelt ist atemberaubend. Auch der Blick zurück haut einen Fast aus den Bergschuhen. Die Verhältnisse am Grat sind perfekt. Die vorgestapften Tritte sind wie eine Leiter in den Himmel. Doch der Biancograt zeigt uns auch seine eisige Seite. Etwa in der Mitte müssen wir über eine Eisflanke steigen. Einige vor uns hatten hier sichtlich Probleme. Nebeneinander versuchen die Seilschaften voran zu kommen. So mancher Bergsteiger kämpft im steilen Eis. Warten ist angesagt. Leider länger als gedacht. Mit den Steigeisen und dem Pickel hängen wir in der Flanke. Das Warten wird unerträglich und für mich - die mit einer gezerrten Schulter und einer noch nicht verheilten Sehnenruptur in der Fußsohle zu kämpfen hat - die absolut unangenehmste Warteposition überhaupt. Die Nerven liegen blank. Ein kalter Wind beißt uns um die Nase. Immer wieder fliegen kleine Schnee- und Eisbrocken durch die Luft. Als es endlich weiterging, war die Erleichterung groß. Aber nur drei Schritte vom Ende der Eisflanke entfernt rutsche ich ab.

Es bleibt nur ein Bruchteil von einer Sekunde, um zu reagieren. Mein Eispickel hält mich und meine beiden Bergkameraden auch. Erst einmal durchatmen. Und noch einmal. Dann versuche ich meine Steigeisen ins Eis zu schlagen, um wieder Halt zu bekommen. Leichter gesagt als getan. Doch meine Seilschaft hilft mir und motiviert mich. Der Schockmoment ist überwunden. Alles gut. Doch mein Herz schlägt noch eine Weile bis zum Hals.



Es geht weiter den laaaaaangen Biancograt hinauf. Das Stapfen fordert viel Ausdauer und Kraft. Nach einer Linkskurve kommt man endlich am Piz Bianco auf 3995 Metern an. Ein zerklüfteter und imposanter Grat tut sich vor uns auf - der Weg auf den Piz Bernina. Zwei Abseilstellen, ein Spreizschritt und ausgesetztes Klettern im II und III Grad warten auf uns. Doch wir kommen nicht weit und werden gezwungen eine Pause einzulegen. Denn ein anderer Bergsteiger vor uns hat sich verletzt und muss ausgeflogen werden. Wir warten die Rettungsaktion ab und klettern weiter. Trotz Schnee und Eis kommen wir gut voran und haben Spaß an der extrem ausgesetzten Kletterei entlang des Grates. Nach der ersten Abseilstelle steht man plötzlich vor einem Abrund. Der sogenannte "Spreizschritt", sprich ein weiter Schritt, über einen tiefen Einschnitt. Links und rechts geht es 400 bis 500 Meter senkrecht bergab. "Da springe ich nicht rüber" - war meine erste Reaktion. In einer Beschreibung, die erst einige Wochen alt war, hatte ich von einem Seil als Hilfsmittel für den Übergang gelesen. Doch da war nichts. Nichts außer einem tiefen Abgrund. Doch mit meinen zwei Begleitern an meiner Seite habe ich auch das überwunden und geschafft.


Danach geht es auf einen Turm. Jede Menge Eis und Schnee erschweren den Aufstieg. Danach folgt die zweite Abseilstelle und der letzte steile Kletteranstieg linksseitig des Gipfelaufbaues wirkt nochmal sehr herausfordernd - ist aber schneller geschafft, als gedacht. Wir sind da! Noch ein Stück am Grat entlang und mit einer Freudenträne in den Augen umarme ich meine zwei Bergkameraden. Geschafft! Und dann dieser Ausblick - alle Berge rundherum liegen uns zu Füßen. Immerhin stehen wir am höchsten Gipfel der Ostalpen auf 4049 Metern.


Der Abstieg erfolgt über den "Normalweg" in luftiger Blockkletterei über den Spallagrat. Ein kurzer Anstieg auf La Spedla (4020m) und dann weiter über einen Firngrat wieder ins felsige Gelände. Hier gibt es eine längere Abseilpassage, die wir gut meistern. Je nach Verhältnissen erfordert der Abstieg mehrere Abseilstellen. Wir finden aber eine gute Route und kommen flott voran bis zum Gletscher. Die Marco e Rosa Hütte wirkt zum Greifen nah und nach knapp 2 Stunden vom Gipfel sitzen wir bei einem guten Glas Wein in der warmen Hüttenstube.


Am dritten Tag geht es für uns zur Bergstation der Diavolezza-Seilbahn. Von der Marco e Rosa Hütte geht es am Gletscher entlang in Richtung Osten auf die Bellavista Terrasse. Zuerst müssen wir einige Höhenmeter bergab bis wir Schneebrücken über tiefe Gletscherspalten queren und uns die umliegende Eiswelt in ihren Bann zieht. Der Aufstieg zur Bellavista auf 3.760 Metern ist zwar eigentlich nicht so weit, aber nach dem vorigen Tag für mich ganz schön knackig. Die Beine sind müde, der Kopf schwirrt. Ich bremse meine Begleiter etwas, aber wir kommen dennoch recht gut voran.

Dann die Entscheidung: Steigen wir über den Fortezzagrat ab oder steigen wir nochmals auf und machen die Piz Palü Überschreitung am Weg zur Diavolezza mit? Das Wetter wird wie erwartet langsam schlechter. Aber die Motivation ist groß. Also: Bergauf!


Es geht von der Bellavista Terrasse zur Fuorcla Bellavista und über den Spinasgrat in feiner Blockkletterei auf den Piz Spinas bzw. Westgipfel des Piz Palü. Der weitere Aufstieg über ein Firnfeld auf den Hauptgipfel wird zur Herausforderung für mich - ein Whiteout lässt meine Bergkameraden vor mir im Weiß verschwinden. Mein Kopf schwirrt, mein Magen schlägt Purzelbäume. Aber meine Jungs lassen mich nicht im Stich, motivieren mich und treiben mich voran. Am Hauptgipfel kämpft sich wieder die Sonne durch und entlockt mir ein Lächeln. Dann geht es über einen super schmalen Schneegrat bergab zum Ostgipfel. Vom steilen Grat biegen wir in einer Linkskurve in den Persgletscher ein und durchsteigen ein eindrucksvolles Spaltengebiet. Es geht über schmale Schneebrücken durch tiefe Gletscherspalten, neben zig Meter hohe Eiswände entlang. Wir fühlen uns wie im Film und sind zwar stetig fokussiert, aber auch zu tiefst beeindruckt. Wir schlagen uns weiter durchs Spaltenlabyrinth, folgen den Spuren über den Gletscher weiter über den Cambrena-Eisbruch bis hin zur Fuorcla Trovat. Wir wählen einen höheren Weg übers Eis, damit wir direkt am Felsgrat einsteigen können - ein Stück Nepalfahne an den Felsen marktiert die Passage.

Nach zwei Tagen dauerhaft in den Steigeisen ist es ein komisches und zugleich erlösendes Gefühl, sie endlich wieder abzulegen. Kurz über Blockgelände und dann ostseitig um den Piz Trovat herum führt ein Pfad zur Diavolezza-Seilbahn.


Wir gönnen uns ein Bahnticket, fahren gemütlich ins Tal und dann mit dem Zug zurück nach Pontresina. Müde, aber überglücklich kommen wir dort an, wo wir vor drei Tagen losgestartet sind.




Tourdaten


Startpunkt: Pontresina - unterhalb des Bahnhofs gibt es einen Langzeitparkplatz (rund 17 Franken)

Höhenmeter: 800 hm zur Tschierva Hütte; weitere 1.500 hm auf den Piz Bernina; Piz Palü Überschreitung: 650 hm Aufstieg und 1250 hm Abstieg

Gehzeit: ~ 3 Std. zur Tschiervahütte; 8 bis 9 Std. auf den Piz Bernina; knapp 2 Std. Abstieg zur Marco e Rosa Hütte; rund 5,5 Std. Piz Palü Überschreitung

Gut zu wissen: Diese Tour ist kein Zuckerschlecken. Für mich ging's ans Limit. Denn man braucht nicht nur eine ordentliche Portion Kondition und Kraft, sondern muss auch die ganze Tour über 100% fokussiert sein. Die Gratkletterei zwischen Piz Bianco und Piz Bernina ist extrem ausgesetzt, man muss also komplett schwindelfrei sein und Klettererfahrung mitbringen. Neben Hochtourenausrüstung werden 4-5 Expressen, Eisschrauben und mind. 30m Seil gebraucht




Piz Palü Überschreitung



 
 
 

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